Ein Gastbeitrag von Angebo mit einer Fußnote von Seba
Das Domain Play1, bei dem ein Territorium errungen, verteidigt und bewirtschaftet wird, ist ein elementarer Bestandteil des OSR. Die SC werden mit goldenen Löffeln speisen, sofern sie nicht zuvor den Löffel abgeben (was oft genug passiert). So können die verschiedenen Klassen in Swords & Wizardry explizit ab Stufe 11 eine Burg, Zauberturm oder anderes Wahrzeichen der Macht errichten und das darum gelegene Gebiet zu ihrem Eigen machen. Auch im neuen DnD5e24 soll dies wieder eine größere Rolle spielen, zumindest gibt es ein langes Kapitel zum Thema Festungsbau. Doch wann betreten die SC denn die politische Bühne? Wann ist ihre Herrschaft (oder die eines anderen) stabil oder wackelig? Wann wird ein Fürsty unsicher, wann ausgetauscht?
Kürzlich durfte ich den Artikel „Nieder mit dem rechtmäßigen König!“ lesen, welchen ich sehr gelungen finde. Allerdings war ich damit unzufrieden, dass alles mit Legitimität begründet wurde, obwohl Macht und ihre Grundlagen doch weitaus vielseitiger ist. Daraus ist das Konzept der Säulen der Macht entstanden, welches dabei helfen soll, das Domain Play übersichtlich und strukturiert zu halten.
Das Grundprinzip
Die Macht über ein Gebiet zu erringen und zu halten ist gar nicht so einfach und allein nicht zu stemmen. In einer einfachen Variante ruht die Macht auf bis zu drei Säulen:
A) Beliebtheit
Das Fürsty hat die Unterstützung eines einflussreichen Teils der Bevölkerung, beispielsweise der Adel, die Stadt- oder Landbevölkerung oder einer einflussreichen Religion.
B) Durchsetzungsfähigkeit
Das Fürsty kann auf eine Form der Exekutive zurückgreifen, um dessen Willen durchzusetzen, beispielsweise Polizei, Militär oder Geheimdienst.
C) Legitimität
Das Fürsty ist (nach einhelliger Ansicht) durch eine höhere Macht dazu bestimmt, die Macht über dieses Gebiet auszuüben, beispielsweise durch dessen Abstammung, einen Lehnsauftrag, eine Heldentat oder eine Prophezeiung.
Diese Säulen können errungen und verloren werden, kurzweilig, geliehen oder dauerhaft sein. Auch müssen Säulen nicht exklusiv sein, d.h. mehrere Personen können zeitgleich beliebt, legitim oder durchsetzungsfähig sein. Auf wie viele dieser Säulen ein Fürsty zurückgreifen kann, sagt viel über die Herrschaft aus:
Kann ein Fürsty auf alle drei dieser Säulen zurückgreifen, wird seine Herrschaft stabil und sicher sein. Kann das Fürsty auf zwei dieser drei Säulen zurückgreifen, ist seine Herrschaft stabil, jedoch anfällig für Herausforderungen und Konkurrenz. Und wehe den Untertanen, deren Fürsty nur auf eine dieser Säulen zurückgreifen kann, denn sie werden in interessanten Zeiten leben!
Mit diesen drei Säulen können wir nun folgende Fragen beantworten:
– Wie bekomme ich die SC auf die politische Bühne?
Sind die SC erfolgreich, werden sie früher oder später zwangsläufig eine der drei Säulen für sich erringen. Vielleicht werden sie beim Volk beliebt oder heuern eine beeindruckende Armee an Mietlingen an oder reinigen das Land von einem alten Übel. Dadurch werden sie zu einer potenziellen Konkurrenz, einer möglichen Bedrohung für das amtierende Fürsty, und es wird darauf reagieren, beispielsweise mit einer Vorladung oder Attentat. Egal ob die SC nun Treue schwören oder den Widerstand wählen, sie sind nun Teil der politischen Landschaft geworden.
Je geringer der Abstand an Säulen ist, desto größer ist die Bedrohung und desto schneller und heftiger wird folglich auch die Reaktion ausfallen.
– Wann wird eine Herrschaft instabil?
Wenn die Konkurrenz ebenso viele Säulen aufweisen kann, wie das amtierende Fürsty, kommt es zu einer mehr oder weniger offenen Auseinandersetzung, welche das ganze Fürstentum, die ganze Bevölkerung in Mitleidenschaft zieht. Ich sehe hier einen Verteidiger-Bonus beim amtierenden Fürsty und es kann sich mit Mühe halten, sofern nicht noch weitere Herausforderungen hinzukommen.
– Wann wird eine Herrschaft abgelöst?
Kann ein Konkurrenty mehr Säulen aufweisen als das amtierende Fürsty, wird ersteres auf die ein oder andere Weise zum nächsten Fürsty aufsteigen. Da die Säulen der Macht oft ein Eigenleben führen, kann diese Entwicklung auch nicht mit einem schlichten „aber ich will eigentlich gar nicht“ gestoppt werden. Sind die SC beispielsweise bei Volk und Militär beliebt, das amtierende Fürsty verhasst und nur legitimiert, werden sie den Thron besteigen – oder sich den Hass des Volkes und Militärs zuziehen. Was nicht unbedingt eine gute Idee ist.
Mehr Informationen
In der einfachen Variante sind die drei Säulen gut für einen einfachen Überblick. Soll die Kampagne tiefer gehen, ist es sinnvoll, diese mit weiteren Informationen anzureichern.
1. Von welcher konkreten Art ist die Säule?
Oben habe ich bereits Beispiele genannt: So kann eine Person beispielsweise beim Adel, die andere beim einfachen Volk, die dritte bei Handel und Handwerk beliebt sein. Alle drei sind bei einem jeweils anderen, einflussreichen Teil der Bevölkerung beliebt.
Sich dies zu verdeutlichen, hilft, die Verwerfungen innerhalb der betroffenen Gesellschaft besser zu lokalisieren.
2. Welchen Stil, welche Vorgehensweise nutzt die Säule?
Während eine mächtige Hanse mit Geld, Waren und Boykotten arbeiten kann, werden Adelige eher auf persönliche und familiäre Beziehungen im In- und Ausland sowie auf ihren Abstammungsmythos zurückgreifen und das gemeine Volk gewaltlosen Widerstand, Proteste oder Aufstände nutzen.
Aus diesen Vorgehensweisen speisen sich die konkreten Handlungsoptionen der Person, die helfen, den Konflikt lebendig zu beschreiben.
3. Welche Absicht, welchen Instinkten folgt die Säule?
Nichts im Leben ist umsonst, und diese Weisheit gilt insbesondere für die Mächtigen und Fürstys. Während eine Hanse Handelsabkommen und niedrige Zölle wünscht, will der Adel seine Privilegien verteidigen und das gemeine Volk von ungerechten Steuern befreit werden.
Die Instinkte einer Säule zeigen uns, wann sie von selbst aktiv wird, was sie für ihre Unterstützung verlangt und welche Ereignisse dazu führen können, dass eine Person ihre Unterstützung verliert. Dieser Bereich ist insbesondere dann interessant, wenn die SC selbst herrschen, denn sie zeigen, wo innerhalb und zwischen den Säulen überall Konfliktpotential schlummert. Beispielsweise zwischen einer stehenden Armee, welche *rekrutieren* und *erobern* will, und einer Hanse, welche *freien Warenverkehr* und *friedlichen Handel* wünscht und einem Volk, welches einfach nur *unbehelligt leben* und *regelmäßig feiern* will.
Mehr Säulen
Seien wir ehrlich, drei Säulen sind ein bisschen undetailliert. Spätestens, wenn die potenziellen Kandidaten für die Macht mehrere Arten pro Säule haben oder die Kampagne eine starke politische Ausrichtung haben soll, lohnt es sich, eine Erweiterung in Betracht zu ziehen. Dazu können die bestehenden Säulen in mehrere aufgespalten werden. Welche das konkret sind, hängt stark vom Setting ab. Macht euch also Gedanken darüber, welche sozialen Schichten, Machtstrukturen etc. in eurem Setting wichtig sind. Ein paar Vorschläge dafür sind:
- Beliebtheit bei der Bevölkerung
- Unterschicht
- Landbevölkerung
- Arme, Obdachlose, Bettelnde
- Sklaven
- Leibeigene
- Mittelschicht
- Bürgertum
- Stadtbevölkerung
- organisierte Arbeiterschaft (Zünfte, Gewerkschaften)
- organisierter Handel (Hanse)
- Oberschicht
- Adel
- Reiche
- Prominente
- Priestertum
- Religionen
- Religion A
- Religion B
- Religion C
- Unterschicht
- Durchsetzungsfähigkeit
- militärische Macht
- reguläre Armee
- Söldnertruppe
- Rebellen
- Vasallenaufgebot
- exekutive Macht
- Polizei
- Geheimdienst
- Miliz
- Bürgerwehr
- organisatorische Macht
- Beamtentum, Verwaltung
- Justiz
- militärische Macht
- Legitimität
- weltliche Legitimität
- Abstammung, Geburtsrecht
- verliehener Titel
- erworbener Titel
- Besitzrechte
- religiöse Legitimität
- Wunder
- Gottesurteil, Gottesspruch
- Aussage von Gottesvertrety, Glaubensführy
- völkische Legitimität
- Orakelspruch
- Prophezeihung
- Heldentat
- weltliche Legitimität
- Dungeons and Dragons hat seine Wurzeln im sogenannten Wargaming – also etwas, was dem heutigen Tabletop wie Warhammer nicht unähnlich ist. D&D verfolgte dann die Idee, statt einer Armee nur einen Charakter zu steuern und so kleine Abenteuer zu erleben. Das Spiel legte aber seine Wurzeln nie ganz ab und ging stets davon aus, dass die Charaktere irgendwann dem Abenteurerleben entwachsen würden. So um die Stufe 9 herum sollten sie eine Festung errichten und dort Gefolgsleute und Untertanen haben. Und damit begann automatisch auch eine neue Dimension des Spiels. Denn mit der Festung und den Untertanen errichten Charaktere gleichzeitig auch ein Gebiet des Einflusses. Das wiederum ruft natürlich Neider und/oder Feinde auf den Plan. Nun ging es also nicht mehr nur darum, Schätze in Dungeons zu finden, sondern auch darum, den Einflussbereich zu verteidigen und idealerweise zu vergrößern. Quasi zurück zu den Wargame-Wurzeln. Das Ganze bezeichnet man als Domain Play oder Domain Game. ↩︎
Viel Spaß,
-Angebo und Seba
Ein Kommentar zu “Die Säulen der Macht”