Die älteren unter uns werden sich erinnern, dass ich vor drei Wochen ein regelleichtes Cyberpunk Rollenspiel mit W6-Würfelpools hier zum Download gestellt habe. Es heißt Slumdogs. Bevor es hier online ging, wurde es natürlich ziemlich ausführlich getestet. Schon in den Tests fragten mich einige der Mitspieler, ob ich denn auch Szenarios und/oder Abenteuer für Slumdogs herausbringen würde. Diese Anfragen haben sich nach der Veröffentlichung nochmal gehäuft.
Die Antwort ist ja. Aber es ist kompliziert. Vorweg das tldr: Ich spiele solche Systeme extrem improvisiert und spezifisch auf die teilnehmenden Charaktere angepasst.
Die lange Beschreibung:
Slumdogs ist – so wie seine großen Cyberpunk-Vorbilder – extrem divers in der Charakter-Gestaltung und lädt dazu ein, Spezialist:Innen zu bauen. Ich schreibe ja sehr gerne und auch recht viele Abenteuer für alte DND-Editionen. Das ist deshalb so einfach, weil die Charaktere keine Skills haben und daher alle möglichen Abenteurer:Innengruppen die gleichen Voraussetzungen beim Lösen von Herausforderungen und dem Überwinden von Hindernissen haben. Man kann sehr leicht ein Szenario entwerfen, dass für jede Gruppe von Spielys „UNGEFÄHR“ gleich ablaufen wird.
Das ist mit den spezialisierten Charakteren von Slumdogs mal überhaupt nicht so. In meiner letzten Runde Slumdogs auf dem Discord-Server von Lurch&Lama hatte einer der Mitspieler ein nettes Fazit für mich: „Slumdogs fühlt sich sehr belohnend an.“ Er meinte, dass er seine Charakter-Fantasie in dem One-Shot gut ausspielen konnte. Der entsprechende Charakter war ein „Face“ (Jargon für eine Figur mit viel Charisma). Die anderen Mitspielenden stimmten da grundsätzlich zu. Es gab noch einen Hacker, einen eher kampfbetonten Charakter und einen Allrounder.
Nun muss ich sagen, dass dieses belohnende Gefühl wohl eher weniger mit dem System Slumdogs zu tun hat, sondern damit, dass ich das Szenario für die Charaktere improvisiert angepasst habe. Für das Face habe ich so etwas wie eine Vorzimmer-Dame eingebaut. In einer späteren Szene fragte der Hacker, ob das Gelände, dass infiltriert werden musste, von Kameras überwacht wird. Meine Antwort an ihn: „Ja klar, eine Kamera ist über dem Tor angebracht und schwenkt hin und her, um den Bereich direkt vor dem Gelände zu überwachen.“ Gab es diese Kamera, bevor ich danach gefragt wurde? Nein, aber schien mir in dem Moment sinnvoll und der Hacker konnte was cooles machen. Für den kampfbetonten Charakter habe ich einen – denke ich – ziemlich spektakulären Abschuss eingebaut und das Face durfte später noch jemandem die Waffe aus der Hand schießen. Das steht natürlich auch nicht in den Regeln, passte aber gut.
Insgesamt haben wir etwas weniger als 3 Stunden gespielt. Und hier das Problem: Meine vorbereitenden Notizen für dieses Szenario sahen wie folgt aus:
„Auftrag: Kleiner Gangster hat sich von Auftraggeber Geld für einen Drogendeal geliehen. Übergabe an privatem Hafenanleger ist schief gegangen, Geld und Ware weg. Kleingangster hat sich mit anderer Gang zusammengetan, um seine eigene Gang und den Auftraggeber zu bescheißen. Hinweis in einem Computer am Hafenanleger.“
Alles, was sonst in diesem Szenario passiert, wurde so von den Spielenden entschieden. Entweder schon bei der Charaktererstellung (Aha, wir haben einen Kämpfer, ich baue ein Drive-by-Shooting ein), oder im laufenden Spiel (Gibt es eine Kamera? Jetzt ja).
Ich bin überzeugt davon, dass das Szenario ziemlich gut ist, denn ich habe es schon mehr als einmal gespielt, es hat immer funktioniert und kam eigentlich auch immer gut an. Gleichzeitig weiß ich aber nicht, wie ich dieses Szenario auf eine Art und Weise aufschreiben kann, dass andere Spielleiter:Innen damit arbeiten können. Es kann ja sein, dass eine Gruppe Spielender völlig andere Charakter-Konstellationen baut. Das selbe Szenario läuft völlig anders ab, wenn vier Charaktere voll auf Kampf geskillt sind, oder drei von vier Charakteren Hacker sind. Denn ich möchte, dass jeder Charakter mindestens einen Moment hat, um zu strahlen. Das, was der Mitspieler als „belohnend“ bezeichnet hat.
Wie man solche Szenarien entwirft habe ich in den Anfangstagen dieses Blogs schonmal skizziert.
Wie man sie für andere Leute aufschreibt, ist mir leider noch nicht so klar. Aber ich arbeite daran und habe schon mit einigen Leuten gesprochen, die schlauer sind als ich. Ich habe die feste Absicht, für Slumdogs eine Sammlung an Szenarien herauszubringen, sobald ich eine gute Form gefunden habe. Wenn jemand eine Idee hat: gerne melden!
MfG,
Seba
Seba, du Fuchs, du! Heikles Thema, das mich ebenfalls nicht los lässt. Ich bin gespannt was daraus entstehen wird.
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