Ich schreibe – auch im Rahmen dieses Blogs – relativ viele Abenteuer. Und das relativ schnell. Ich würde mir nicht anmaßen, zu behaupten, dass es immer besonders gute Abenteuer sind, aber sie funktionieren in der Regel und machen zumindest genug Spaß, dass mir noch nie jemand vom Tisch aufgestanden ist.
Nun gibt es ja schon allerlei Tips und Tricks auf Blogs und ganze Bücher zu dem Thema, wie man ein Abenteuer erstellt. Auf deutsch würde ich einen Blick in das Buch „Abenteuer gestalten“ von Andreas Melhorn empfehlen. Warum schreib ich jetzt also auch noch etwas? Weil der Prozess höchstgradig individuell ist und für jedes Gehirn andere Wege zum Ziel führen. Was Andreas in seinem Buch übrigens auch erwähnt. Vielleicht gibt es ja einen Leser oder eine Leserin, der oder die ähnlich verdrahtet ist wie ich und dem/der das folgende hilft.

Schritt 1: Outlines
Der erste Schritt ist – wie so oft – der wichtigste. Ich stelle jetzt einen für mich zentralen Punkt voran, auf den ich noch mehrmals zu sprechen komme: Verfolge Ideen NICHT weiter, die nicht gut funktionieren oder bei denen du stecken bleibst! Wenn der Prozess nicht voran geht, versuch eine andere Idee! Die besten Dinge entstehen bei mir immer schnell und flüssig. Wenn ich lange Schreibblockaden habe, dann wird das Ergebnis genauso krampfig wie sein Entstehungsprozess.
Also fange ich direkt mit mehreren Ideen an und schaue, welche den weiteren Prozess überleben. Nochmal: In den ersten Schritten sollte man sehr emotionslos mit seinen Ideen umgehen und bereit sein, sie direkt wieder zu shreddern.
Was meine ich nun mit Outlines? Die generelle Idee. Und da bediene ich mich normalerweise bei Klischees und versuche, einen kleinen Twist reinzubekommen.
- Typischen OSR-Abenteuer sind: Etwas stehlen, etwas erforschen, jemanden retten, jemanden töten.
- Typische Locations sind Höhlen, alte Tempel, Magiertürme, Festungen, Kanalisationen, Wälder, Wüsten, Sümpfe.
- Typische Gegner sind Untote, Orks und Konsorten, Banditen, Kultisten, irre Magier, Konstrukte.
Ich schmeiße also aus jeder Kategorie eine Sache in den Topf und rühre ein paar mal um, damit mir vielleicht schon ein Twist einfällt, der alles ein bisschen spezieller macht. Dabei kommen ein paar Ideen heraus:
- Ein Magier ist unsterblich in eine Elfe verliebt, die die Liebe nicht erwidert. Also fing er an, in seinem Turm Fleischgolems zu bauen, die so aussehen wie seine Geliebte. Die Golems haben revoltiert und ihn umgebracht.
- Orks haben in einem alten Tempel eine Vorrichtung entdeckt, mit der sie das Wetter kontrollieren können. Die Vorrichtung muss entweder zerstört oder die Orks vertrieben werden.
- Kultisten haben die Tochter eines Kaufmanns entführt, um ein finsteres Ritual abzuhalten. Die Spuren führen in die Kanalisation.
Ich habe zu diesem Zeitpunkt schon das deutliche Gefühl, dass mir Idee 1 am besten gefällt, weil sie ein bisschen verrückter ist als die anderen. Ich werde trotzdem alle drei Ideen mit in den nächsten Schritt nehmen. Mit der festen Absicht, dass am Ende vermutlich nur eine übrig bleibt!
Schritt 2: Spontane Assoziation
Jetzt ist der Zeitpunkt, intelligent aus dem Fenster zu schauen und die Gedanken schweifen zu lassen. Was und wieviel fällt mir spontan zu den drei Ideen, beziehungsweise zu ihren Locations ein? Dieser Schritt ist in meinem Prozess SEHR wichtig. Wenn mir zu wenige Dinge vergleichsweise spontan einfallen, dann wird der Rest der Abenteuerentstehung sehr zäh. Also direkt in den Müll mit der ganzen Idee!
- Zu Idee 1 fällt mir sofort ein Museum ein, dass der Magier eingerichtet hat. Darin solche Dinge wie Haarlocken, weggeworfene Taschentücher, vielleicht ein abgefangener Brief von seiner Angebeteten. Das ist schön creepy. Der Plan mit den Fleischgolems schlug fehl, sie ließen die menschliche Wärme vermissen. Also ging der Magier natürlich auch noch einen Pakt mit einem Dämonen ein, damit sich das Objekt seiner Begierde doch noch in ihn verliebt. Und er braute natürlich auch allerlei Liebestränke und probierte sie an verschiedenen Leuten aus. Es gibt also auch Gefängniszellen und Labore.
- Bei Idee 2 bin ich sofort bei den Tesla-Spulen aus Command&Conquer. Mit Blitzen schießen ist immer ein großer Spaß. Ein alter Tempel hat natürlich jede Menge Fallen, die in diesem Fall sicher mit Wetter oder Elementen zu tun haben. Vielleicht könnte man verschiedene Orks gegeneinander ausspielen?
- Idee 3 führt in eine meiner liebsten Gegenden, die Kanalisation. Das ist immer gut. Da gibt es Riesenratten, Abfallmonster, seltsames Gesindel, Geheimgänge und dergleichen. Das Abenteuer dreht sich um Menschen und die sind irgendwie immer böse. Der Kaufmann ist insgeheim also auch Mitglied des Kultes, wahrscheinlich sogar das Oberhaupt. Das Ganze ist für die Charaktere eine Falle. Vielleicht gibt es gar keine Tochter. Vermutlich etwas persönliches.
Ich stelle jetzt fest, dass ich Idee 3 für meine Tischrunde nutzen aber eher nicht veröffentlichen kann. Geschichten, die Charaktere persönlich betreffen können nicht gleichzeitig generisch sein, das wäre immer sehr konstruiert. An diesem Punkt fällt Idee 3 also raus, ich verfolge das erstmal nicht weiter.
Schritt 3: Handwerkliches
Es gibt ein paar Sachen, die ein Location-basiertes Abenteuer gut machen. Da kann man sehr verschiedene Kriterien anlegen und es kommt natürlich auch auf die Gruppe an. Ich finde die Dungeon-Checkliste gut geeignet. Die ist hier zum Beispiel bei Moonmoth etwas erklärt.
In diesem Schritt gehe ich tatsächlich diese Liste Schritt für Schritt durch und überlege, ob die Idee alle Punkte schon erfüllt oder ob es vergleichsweise leicht ist, die Punkte zu erfüllen.
Ich stelle fest, dass beide Ideen alle Punkte ziemlich easy erfüllen. Ich habe allerdings schon ziemlich viele Tempel und noch nicht viele Magiertürme gemacht. Ich habe die Sorge, dass mir bei Idee 2 nach 4 oder 5 Räumen die Luft ausgeht und ich anfangen werde, stecken zu bleiben. Idee 2 fliegt also an dieser Stelle raus. Ich mag allerdings die Idee mit der Wetterkontrolle, also wird das auch noch in den Magierturm eingebaut. Ich weiß gerade noch nicht, wer da das Wetter kontrolliert aber da wird mir was einfallen.
Zu Schritt 3 gehört dann noch die Beseitigung von zu großen Logikfehlern. Warum können die Fleischgolems (die natürlich alle in Ballkleidern stecken und blonde Perücken aufhaben) den Turm nicht verlassen? Es muss Schutzvorrichtungen geben. Vielleicht andere Konstrukte oder magische Diener, die es verhindern sollen. Vielleicht auch Fallen. Aber wie sind dann Leute zur Wettermaschine gekommen? Müssen wohl einen anderen Weg genommen haben. Harpyen oder sowas könnten da einfach hinfliegen.
Idee 1 ist also zu einem Turm geworden, der im Keller mehrere geheime Labors hat, im Erdgeschoss ein paar Verteidigungsanlagen, im ersten Stock ein Museum für die Geliebte, im zweiten Stock einen Ritualraum, wo ein Dämon beschworen wurde und im dritten Stock eine Wettermaschine, mit der Harpyen Unfug treiben. Die greifen vermutlich auch schon auf dem Weg zum Turm an. Ich baue irgendwo noch einen riesigen Frosch ein, weil mit Frosch alles besser ist. Der Dungeon schreibt sich im Grunde von allein.
Schritt 4: A new beginning
Ich habe hier jetzt einen Fall geschildert, wo am Ende wirklich etwas vernünftiges herauskam. Das muss nicht zwingend so sein. Manchmal will das Hirn nicht. Dann versucht man es wann anders nochmal. Ich betone hier nochmal: Es lohnt sich NIE, eine schlechte Idee bis zum Ende zu denken. Weg damit, neu anfangen!
Viel Erfolg,
Seba
@kritischerfehlschlag.de sehr schön beschrieben 👍 ich bin ja noch nie auf die Idee gekommen, das ist dafür sogar Bücher gibt 😁 bisher habe ich meine Abenteuer immer so aus der Hand geschüttelt … oder gequält – je nachdem 😂 irgendwie kommt man aber intuitiv auch in etwa auf die Schritte, die du oben angegeben hast. Vielleicht nur nicht so in der Reihenfolge und immer wieder von vorn.
Bei den Details bin ich mittlerweile aber dazu übergegangen (ich erstelle immer relativ detaillierte Battlemaps für Roll20) mich von der Karte mit inspirieren zu lassen. Das ist einfacher, als eine Karte (die ich gerne auch einmal komplett fertig aus dem Internet lade) exakt an das Abenteuer anzupassen.
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Es ist halt, glaube ich, nur offensichtlich für Leute, die eben so denken. Der wichtigste Punkt ist: Brainstorming geht entweder ziemlich schnell oder gar nicht. Wenn man stecken bleibt, weg mit der Idee.
Über Karten oder Bilder bin ich auch schon zu Ideen gekommen aber es ist im Großen und Ganzen eine andere Technik.
MfG,
Seba
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Ich finde die Idee #2 zu gut, um verworfen zu werden. Ich klau mir die mal…
Ich bastle einen Dungeon: Das Zikkurat des Sturmes I – Eine Idee finden | dnalorsblog (wordpress.com)
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Ich hatte diesen Kommentar vor einiger Zeit schonmal gepostet, aber er erschien nie unter dem Artikel. Vielleicht landete er im Spam oder wurde für die Freischaltung übersehen. Ich hoffe, dass er dieses Mal unter den Artikel erscheint.
Ich finde einen wichtiger Ratschlag ist es Ideen auch wirklich zu verwerfen und nicht irgendwo für später aufschreiben, um sie dann vielleicht doch noch zu benutzen. Statt alte Ideen durchzulesen und dann zu recyclen lieber kreativ sei, um neue Ideen zu erstellen.
Wahrscheinlich hast Du Deine Ideen für Abenteuer für diesen Artikel bewusst so gewählt, dass sie zu der Intention des Artikels passen.
Von Deinen drei Ideen hätte ich auch nur Idee 1 zu einem Abenteuer ausgebaut, weil sie nicht der 08/15 Magierturm ist, sondern das Besondere hat, was die Spieler nicht schon dutzendfach in anderen Abenteuern gesehen haben.
Mit Deiner Idee 2 habe ich meine Probleme. Sie ist erst generisch bis es zur Wetterkontrolle kommt. Wetterkontrolle ist oft mit Zaubern auf höheren Leveln möglich, so dass eine Wetterkontrolle durch Technik in das Machtgefüge stark eingreift. Letztendlich ist was wahrscheinlich eher unwichtig, weswegen die Helden in das Dungeon gehen. Die Idee inspiriert mich aber. Was ist wenn die Orks die Technik gar nicht verstehen und jemand die Helden nur angeheuert hat um die Orks zu vertreiben, so dass er/sie die Technik selber nutzen kann.
Ich habe vor Jahren in einer D&D 3.X Forgotten Realms Runde nachfolgendes Abenteuer geleitet. Die Charaktere waren Level 5-7 oder so. Wichtig für dieses Abenteuer war, dass in der Gruppe kein Paladin war.
Orks haben aus einem Dorf den Bauern, der immer die größten Weizenernten hat gekidnappt. Die Helden fühlten sich berufen, den Bauern zu befreien. Im Dorf fanden sie dann noch in einem Kämpfer in einer schwarzen Plattenrüstung einen Mitstreiter, der gerne den Bauern befreien und die Orks töten will.
So weit so klassisch.
Spuren verfolgt und auf eine Gruppe Orks gestoßen.
Erste Besonderheit: Im Kampf mit den Orks stellten die Charaktere fest, dass die Orks in einem Kampfrausch verfielen, aber auch militärisch besser agierten als man von Orks sonst gewohnt war. Nach dem Kampf ging es weiter den Spuren nach.
Vor dem Höhleneingang waren zwei fiendish Goblins Bogenschützen in Bäumen versteckt.
Mit einem Unsichtbarkeitszauber wurde von einem Charakter die Höhle erkundet. In dem Höhlenkomplex sind viele Orks und ein paar Goblins und Bugbears.
Zweite Besonderheit: Die Orks werden von Hobgoblins kommandiert. Ein Hobgoblin Priester ist einer der Bosse.
Dritte Besonderheit: Auffallend ist auch, dass viele fiendish sind.
Vierte Besonderheit: Die Bosse sind in Verhandlung mit einer menschlichen Delegation, die von einem Priester angeführt wird. Sie verhandeln über die Übergabe des Bauern. Der Priester ist ein Priester des Gotts Bane.
Um das ganze Abenteuer zu verstehen, braucht es ein paar Hintergrundinfos.
Der Bauer hat ein Verfahren entwickelt mit dem er die Weizenernte vermehren kann. Mehr Weizen interessiert auch Priester des Gottes der Tyranny (Satte Personen rebellieren weniger gegen Tyrannen). Deshlab hat der Bane Priester die Orks angestiftet den Bauern zu kidnappen. Die Orks sind besonders, weil in ihren Adern teuflisches Blut fließt und sie von Hobgoblins militärisch geführt werden.
Wo Bane agiert ist Cyric nicht weit. Der Kämpfer in der schwarzen Plattenrüstung ist ein Priester des Cyric. Wie werden sich die Charaktere fühlen, wenn sie nur mit der Hilfe eines bösen Priesters/Kämpfers den Bauern befreien konnten.
Für mich ist das Ungewöhnliche, Besondere in einem Abenteuer wichtig.
Bei Idee 3 fehlt mir das Besondere. Sie sieht nach dem Xten Besuch einer Kanalisation aus. Es wäre etwas anderes, wenn die Tochter ein Halbling oder Zwergin ist und die Kanalisation nur für kleine Wesen ausgelegt ist.
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Moin,
Da ist wirklich im Spam gelandet, aber nun habe ich es gefunden 🙂
Vielen Dank für deine Gedanken! Ich finde bei Abenteuern ist immer auch wichtig, für wen man sie schreibt. Für Veteranen, die schon zig Sachen gespielt haben, muss es vielleicht etwas Besonderes sein. Ich spiele aber auch oft mit Leuten, die sehr neu im Hobby sind. Da kommen „generische“ Dinge oft doch besser an. Die Klassiker sind ja Klassiker geworden, weil sie gut sind.
Die 3 Ideen für den Artikel habe ich mir wirklich nicht vorher ausgedacht. Der ganze Artikel ist während des tatsächlichen Denkprozesses entstanden. Da hätten die Ideen auch wesentlich schlechter sein können 😀
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Ich gebe Dir recht. Für die Erstellung des Abenteuers ist das Zielpublikum dieses Abenteuers wichtig. Gerade bei Neulingen kann man sich als Meister auf die eine oder andere Überraschung gefasst machen, weil sie noch nicht so in das Regelkorsett eingezwängt sind. Ein Klassiker oder Klischee ist ein Klassiker oder Klischee, weil man dieses sofort erkennt.
Einen der spannensten Momente in meiner Rollenspielkarriere war es (vor über 20 Jahren), als mein Charakter und seine Gefährten in eine Fantasyrunde, ich glaube es war das Setting Karameikos, aber mit Gurps Regeln, in einen Gang auf einen kleineren Humanoiden trafen. Er hatte uns noch nicht entdeckt. Der SL hat das Wesen detailiert beschrieben und wir als Spieler, alle mit jahrelanger Erfahrung wussten nicht, was es genau war und ob wir es angreifen sollten oder nicht. Ein klein wenig hatten wir Angst vor dem Wesen, weil es dort allein war gegen uns als Gruppe. Letztendlich haben wir es dann doch getötet und es stellte sich für uns Spieler heraus, dass wir vor einem Goblin Angst gehabt hatten. Der Spielleiter hat in seiner Beschreibung des Wesens nie das Wort Goblin benutzt. Hätte er das, hätten wir nicht gezögert und das Wesen wäre sofort angegriffen worden. Der Spielleiter hat seine Beschreibung sehr an der Beschreibung des Monster Manuals gehalten, aber es nicht so offensichtlich gemacht, dass man sofort Goblin rufen würde. Später hat er das gleiche mit zwei anderen, größeren Humanoiden gemacht. Gleiches Spiel wie beim Goblin. Erst Diskussion, ob oder ob nicht, vielleicht sind die ja mächtig. Nach deren Tod haben wir herausgefunden, dass es nur normale Hobgoblins waren.
Von drei Ideen ist dann eine der richtige Treffer. 😉
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