Was Gary Gygax der Spielleitung mitgab

Letztes Mal hab ich über die „Anweisungen“ geschrieben, die Tom Moldvay der Spielleitung für DnD Basic gab. Jetzt schauen wir mal in den Dungeon Master Guide für AD&D von Gary Gygax. Und dabei soll es jetzt nicht um mechanische Dinge gehen, sondern insbesondere das Kapitel „The Campaign“ auf Seite 86 ff.

Wer sich schonmal mit Texten von Gygax beschäftigt hat, weiß, dass man sie nicht unbedingt pointiert nennen kann. Kurz gesagt empfiehlt er zum Einstieg, dass neuere DMs nur so viel Setting vorbereiten sollten, wie man zum Spielen braucht. In der Regel eine kleine Siedlung und einen Dungeon. So sind bis heute die allermeisten Module, die es zu kaufen gibt, aufgebaut. Und wir sehen einen großen Unterschied zur Vorgabe von Moldvay. Bei Basic beginnt das Abenteuer mit dem Eintritt in den Dungeon und endet, wenn man wieder herauskommt. Hier bei AD&D gehört die Siedlung offenbar auch für Einsteiger schon zum Spiel dazu.

Dann geht es aber weiter. Nach einigen Sessions, so Gygax, sind die Charaktere der Startregion vermutlich entwachsen. Die nähere Umgebung soll oberflächlich skizziert werden, besondere Abenteuerpunkte schon weiter ausgearbeitet. Und dann geht es direkt ins Worldbuilding. Gygax schlägt vor, man könne direkt eine Karte des Kontinents malen und sowohl topographische als auch politische Grenzen ziehen. Dabei könne man auch schon direkt mögliche Konflikte identifzieren. Je detaillierter man diese ausarbeite, desto lebendiger fühlt sich die Welt an.

Das ist ein plötzlicher, ziemlich großer Schritt vom Moldvay-Dungeon-Abenteuer zur politischen Kampagne, die Gygax hier in einem Nebensatz anreißt. Natürlich geht Gygax noch einen Schritt weiter. Es reicht nicht, den einen Kontinent zu haben, sondern die ganze Welt. Das reicht aber auch nicht, man braucht das ganze Multiversum. Weltraum, Planeten, andere Dimensionen etc. Heiliger Strohsack. Was hier so lapidar in anderthalb Absätzen vom Dungeon Master verlangt wird, soll natürlich über einen Zeitraum von JAHREN passieren.

Also kleine Rolle rückwärts zur ersten Siedlung und zum ersten Dungeon. Gygax ist der Meinung, man könne da ein gekauftes Modul nehmen, wenn man es der eigenen Vision der Spielwelt anpasst. Macht alles Sinn. Interessanter Punkt: Der erste Dungeon soll die Spielenden abholen. Nicht zu einfach sein, aber auf keinen Fall zu einem Charaktertod führen. Wer Gygax nur im Zusammenhang mit Perlen der Spielenden-Vergrämung wie Tomb of Horrors kennt, liest hier ganz neue Töne.

Wie bereits erwähnt, sollte man schon beim ersten Abenteuer eine grobe Idee haben, wie die Welt außerhalb dieser „Starter-Zone“ funktioniert. Gygax sagt, wenn Spielende nachfragen, kann man da ruhig sehr vage bleiben, die Welt baue sich mehr oder weniger von alleine. Das kann ich aus persönlicher Erfahrung so bestätigen. Man könnte fast meinen, der Mann wisse, worüber er redet.

Wir skippen hier mal den Teil über Ökologie und Klima eines Kontinents, weil egal. Die Ausnahme: Dungeons sollen in der Welt Sinn ergeben. Keine Ahnung, ob Gary Gygax mal in seine eigenen Module geschaut hat, aber ok.

Als nächstes gibt es einen kleinen Abriss über verschiedene Regierungsformen, die in AD&D Sinn machen könnten. Das ist ganz nett gemacht und impliziert schon, dass manche Länder möglicherweise mit anderen in Konflikt kommen könnten. Auch, wenn das nie so recht ausgesprochen wird.

Im Teil „Economy“ stolpert man über einen Begriff. „Heroic Fantasy“. Ich zitiere mal: The “reality” AD&D seeks to create through role playing is that of the mythical heroes such as Conan, Fafhrd and the Gray Mouser, Kothar, Elric, and their ilk. Uiuiui, könnte es sein, dass Charaktere gar nicht völlig ersetzbar sein und am laufenden Band sterben sollen? Ich denke, ich bin hier einer heißen Sache auf der Spur. Der Rest vom Economy-Teil ist relativ langweilig. Gygax schlägt vor, dass eine der effektivsten Methoden, Charaktere von ihrem Gold zu trennen, Steuern seien. In meiner Erfahrung sind Steuern eine der effektivsten Methoden, Spieler vom Spaß zu trennen, aber korrekt angewandt, kann sich dadurch natürlich eine ganz neue Geschichte ergeben. Robin Hood fängt ja auch mit zu hohen Steuern an.

Im Kapitel Schätze und Magische Gegenstände drückt Gygax sein Bedauern aus, dass er bei D&D nicht nachdrücklich darauf hingewiesen hat, dass magische Gegenstände selten und wertvoll sein sollten. Ja, blöd gelaufen, in meinen Spielen ist alles voll von magischen Gegenständen, weil sie für mich eine der schönsten Sachen an D&D sind. Was sagt Gygax dazu? Many campaigns are little more than a joke, something that better DMs jape at and ridicule — rightly so on the surface — because of the foolishness of player characters with astronomically high levels of experience and no real playing skill. Ich werde mir weiterhin einbilden, dass die Leute mit mir und nicht über mich lachen.

Gygax nutzt die Gelegenheit, um gleich weiter zu ranten. Irgendwie hat er den Sprung zu „Killer Dungeons“ gemacht. Er verurteilt es zutiefst, wenn Dungeon Master massenweise Charaktere durch unfaire Fallen und dergleichen um die Ecke bringen. Ich bin froh, dass ich das Zitat gefunden habe. Es passt zwar nicht zu den Dingen, die Gary selbst so verfasst hat, aber ich wusste genau, dass ich das schonmal gelesen hatte. Bis jetzt konnte ich nur nie genau sagen wo. AD&D DMG Seite 92. Charaktertode sollten selten und bedeutsam sein. Ja, auch bei altem DnD.

Irgendwie rantet Gary dann noch eine Weile weiter, bis er im Kapitel „Territory Development by Player Characters“ wieder einen Faden findet. Hier geht es mal um die Strongholds, die Charaktere bauen können, wenn sie eine gewisse Stufe erreicht haben. Und darum, dass sie auf diesen Stufen durchaus erheblichen politischen Einfluss ausüben können. Das ganze wird in einem unübersichtlichen Fließtext mit Regeln versehen, die ganz sinnvoll aber sehr mechanisch daherkommen. Ich denke, auf dem Charakterlevel, auf dem die Spielenden Strongholds bauen und verwalten, sind sie über den Punkt, die nähere Umgebung zu erkunden, schon etwas hinaus. Aber das mag an anderen Spieltischen anders aussehen. Es gibt auch direkt noch Ideen dazu, warum das Volk gegen die Charaktere aufbegehren könnten und wie diese Aufstände niederzuschlagen sind. Das ist eigentlich ein witziges Subsystem, bei dem die Aufständischen auch Stufen aufsteigen können und dergleichen aber in der Realität wären die meisten Spielenden, die ich kenne, wohl eher daran interessiert, sich mit der Arbeiterklasse gut zu stellen, realistischer Feudalismus hin oder her.

Dann kommt noch ein Beispieldungeon und damit hat es sich. AD&D hat vieles davon bestätigt, was ich denke. Charaktere sollten Persönlichkeit haben oder sie im Laufe des Spiels entwickeln. Sie sollten selten sterben und sie sollten Einfluss auf die Welt um sie herum nehmen können.

So haben ich und die Leute, die ich kenne, DnD immer gespielt. Viele der Prinzipien der OSR-Bewegung kamen mir immer falsch vor, weil ich es so einfach nicht erlebt habe. Ulkig ist es trotzdem, wenn Gygax den Killer-Dungeon verurteilt.

Gibt es etwas, was euch aus dem DMG interessiert? Es ist ein gutes Buch, wenn man mit Gygax-Sprache umgehen kann.

-Seba

Veröffentlicht von Seba

Schreiberling aus Hamburg

6 Kommentare zu „Was Gary Gygax der Spielleitung mitgab

  1. Das DMG ist eine Fundgrube an spannenden Sachen. Manchmal fehlt mir für einige der Tools eine richtige Anleitung, aber wir machen das mittlerweile ja durch Erfahrung wett.
    Und was die Tödlichen angeht, vielleicht wäre Gygax lieber zu seinen Spielern nach Hause gegangen, um deren Fernseher aus dem Fenster zu werfen 😉

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  2. Das wäre ein mühsames und frustrierendes Unterfangen. 2e schmiss z.B. weitgehend den Magische-Schätze-Teil raus (darum dann später ein eigenes 2e Book of Artifacts). Vergleichst du dann DMG mit DMG oder DMG mit DMG + Tops?

    Und bei 3e und 4e wissen wir doch schon, dass ein völliger Kurswechsel beim Regeldesign stattfand. Daher ist spätestens ab 3e kaum noch ein inhaltlicher Vergleich mit Voreditionen möglich -– sie sind regeltechnisch zueinander inkompatibel und versuchen jeweils, etwas ganz Anderes zu erreichen.

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